Schon wieder ins Wallis ... !?

Von Hans Sterr

 

Eigentlich wollte ich ja dieses Jahr mal wo anders hin: Ned jed's Jahr ins Wallis ... aber die andern haben so lange auf mich hingebenzt: Na gut, diesmal noch ... aber dann wenigstens auf Berge, auf denen ich noch nicht war, oder zumindest auf anderen Routen; abgemacht.

Eingehtour, wie immer am ersten Tag: Der Schwarzbergchopf am Allalingletscher (wo im übrigen gerade riesige Eismassen abgebrochen waren; man kann sich die Gewalt des Eissturzes angesichts der riesigen Bruchkante gut vorstellen).

Am nächsten Tag steigen wir zu den Weissmieshütten auf; an der Triftalp findet eine Bergmesse mit anschließendem Halligalli statt. Wir bleiben allerdings nicht: Die Musik ist vom Band und original Musikantenstadl; man hat es so satt ... Wir steigen weiter auf, und nach einer Rast an den Weissmieshütten gehen wir ohne Gepäck auf das Jegihorn, aus Zeitmangel (und weil wir auch so schon über 1700 Hm zurücklegen) leider nur über den Normalweg. Seit Juli d.J. führt auch ein mittelschwerer Klettersteig auf den Gipfel. Sehr schön, wie von Begehern zu hören ist! Kleine Anmerkung für die, die sie kennen: Die Wirtin der Weissmieshütte war diesmal a bisserl besser drauf. A bisserl nur, aber immerhin.

Am nächsten Tag haben wir uns die Überschreitung Fletschhorn - Lagginhorn zum Ziel gesetzt; am Fletschhorn war ich am Westgrat schon einmal an der Vereisung gescheitert. (Wer sich erinnert: Das Fletschhorn, 3993m hoch, sollte von der Gemeinde Saas Grund einmal auf 4000m aufgemauert werden ... die Narrischen sterben nicht aus.) Diesmal sollte das allerdings kein Problem sein, der Normalweg ist ausgesprochen gutmütig; das "Problem" ist eher der Zustieg bis zum Gletscher durch außerordentlich brüchiges Zeug. Flüche am Morgen ... und womit ich nicht gerechnet hatte: Mein Kreislauf läuft am Fletschhorn-Gipfel statt im Kreis wohl um Ecken; geht's mir schlecht ... Ich wollte schon absteigen, aber der Gedanke, dass meine Spezl dann das Erlebnis der Überschreitung ohne mich haben würden, stimmt mich um. Weiter geht's, und im weiteren Verlauf wurd's dann auch wieder deutlich besser.

Kurz unterhalb des Fletschhorn-Gipfels
Am Nordostgrat des Lagginhorns, unten das Fletschjoch Nach dem Abstieg ins Fletschjoch und einer dortigen Sanitär-Pause geht's an den Nordostgrat. Der Schweizer SAC-Führer gibt hier keinerlei Schwierigkeiten an, was eine glatte Untertreibung ist: Der Grat ist kombiniert, im Fels bis II (was der AV-Führer auch so bestätigt), mit Wächten zwischendrin, und überdies stark ausgesetzt. Steigeisen aus, Steigeisen an, immer hin und her. Ich entscheide mich letztendlich, die Steigeisen durchgehend anzulassen, meine Spezl ziehen immer wieder aus und an. Geschmackssache. Klettern mit Steigeisen ist nicht so toll, das Wechseln auch nicht. Tja ...

Die 300 Hm, die man vom Joch zum Gipfel des Lagginhorns zurücklegt, haben es auf jeden Fall in sich; dazu kommt, dass man ja auf das Fletschhorn schon fast 1300 Hm in den Knochen hat, und weil wir zur Hohsaas-Hütte weiter wollen, haben wir auch das volle Gepäck dabei ... jammere ich? Ich jammere nicht. Wir waren trotzdem sehr froh, als endlich der Ausstieg zum Gipfel des Lagginhorns an der Gipfelwächte erreicht war.

Ausstieg vom Grat zur Gipfelwächte
Der Gipfel des Lagginhorns, 4010m Und so stellt man sich's dann am Gipfel vor: Super Wetter, tolle Sicht, und wir sind alleine ... ab und zu darf man es ja auch mal gut treffen. Wir geniessen ausgiebig die Gipfelruhe, bis noch eine Seilschaft kommt; für's Gipfelfoto grade recht, und wir wollten eh gehen ... der Abstieg ist eher eintönig: Zunächst recht steil auf Firn abwärts, bis das Eis ausläuft und dann in einen Schotterhang und -grat übergeht. Auf dem Grat geht es dann zum Teil recht schön weiter, aber insgesamt ist dieser Weg der bisher ödeste (Entschuldigung!) mir bekannte Normalweg auf einen Viertausender. Prädikat: Nicht lohnend. Unten quert man dann noch einmal einen kleinen, praktisch spaltenfreien (ohne Gewähr) Gletscherrest, bevor wir nach oben zur Hohaas-Hütte abzweigten.

Für Wolfram ist der Abstieg aber für diesen Tag auch das Ende: Seine Knie spielen nicht mehr mit; er fährt nach einer Pause und nachdem wir die heutige Tour mit einem großen (!) Bier begossen haben, mit der Bahn ins Tal. Sehr schade ... Für die Weissmies-Überschreitung am nächsten Tag bleiben also Schorsch und ich (was grade mal so ausreicht, wie sich zeigen sollte).

Am nächsten Morgen gingen wir um 05.30 Uhr los, und wir waren so zügig unterwegs, dass wir, soweit zu sehen war, die ersten am Berg waren. Um diesen "Vorsprung" zu behalten, beschließe ich, statt über den weiten Umweg direkt durch die Spaltenzone im unteren Gletscherbereich zu gehen. Was soll passieren? Der Gletscher ist aper, alle Spalten zu sehen, der Firn hart; wir gehen am kurzen Seil. Wir kommen an einer Riesenspalte vorbei, deren Ausmaße und Tiefe wir mit einem "Boah, leck mich" kommentieren. 50 Meter weiter beginnt Firn die Spalten zu bedecken; auf Vorschlag von Schorsch gehen wir das Seil jetzt aus. 10 Meter weiter ist eine Spaltenbrücke. Pickeltest: hart. Ich steige drauf - und fliege in ein Loch ohne Grund ... ich schreie: "Schorsch, halten!" Als ob er das nicht wüsste ... viele Dinge schiessen mir gleichzeitig durch den Kopf: Ist-mein-Karabiner-zu, Habe-ich-den-Knoten-richtig-gebunden, Kann-mich-Schorsch-halten, War's-das-jetzt, ... 

Aber Schorsch hält (merke: Ein Seilpartner ist gut, aber ein guter Seilpartner ist besser). Das Seil strafft sich, ich hänge - was gut ist: Ich bin in die vorher mit Schaudern bewunderte Riesenspalte geflogen; ich sehe noch etwa 15 Meter runter, aber ein Grund ist da noch lange nicht erkennbar. Ich spreize mich in dem Kamin, in dem ich hänge, mit den Füßen ein, damit die Spannung vom Seil weg ist und Schorsch oben etwas unternehmen kann. Der Rucksack drückt dabei unglaublich auf meine Bandscheiben: Schlecht gepackt ... ich muss was unternehmen, so halt ich es nicht aus. Ich drehe eine Eisschraube ein und hänge mich dran: Aaah. Aber so ist es auch nix; irgendwie muss ich ja wieder raus. Also wieder los von der Eisschraube. Mit dem Pickel kann ich gerade noch einen Eisvorsprung gegenüber erreichen und mich so an die Spaltenwand ziehen; mit Frontalzackentechnik klettere ich seitlich zu einem kleinen Absatz an der Spaltenwand, auf den ich mich setzen kann. Jetzt pressiert's nicht mehr ...

Inzwischen hat Schorsch eine andere Zweier-Seilschaft auf uns aufmerksam gemacht (ein Bergführer, der mit seiner Gruppe unterwegs war, hat es vorgezogen, nur zu glotzen und dann weiter zu gehen. A...). Die beiden lassen ihr Seil zu mir runter, und nach kurzer Zeit bin ich wieder draußen. Geht's? Es geht; ich habe zwar Prellungen (vor allem am linken Fuß), aber wir können nach kurzer Erholungspause weitersteigen.

Am Firngrat nach dem Weissmies-Gipfel (hinten) Der Weg zum Gipfel ist ohnehin nicht schwierig, aber in diesem Jahr noch leichter als im Vorjahr: Man muss bei der Querung an der großen Spalte nicht mehr ausgesetzt auf dem äußeren Rand rumturnen; die äußere Spaltenwand hat sich so weit geneigt, dass man jetzt auch innerhalb gut gehen kann. Der obere Weg hat sich dazu ebenfalls verändert: Aufgrund eines großen Bergschrunds steigt man jetzt nach der großen Spalte ziemlich gerade weiter hinauf, wodurch man etwa 200 Meter weiter westlich auf den Grat trifft als bisher. Der Weiterweg ist ab hier identisch. Trotz der Verzögerung sind wir die ersten am Gipfel; da haben wir uns durch das schnelle Gehen wohl den Frust ein bisserl rausgehauen ... 
Die Gipfelrast fällt dann relativ kurz aus; es bläst ein zapfiger Wind. Wir packen schnell zusammen und gehen weiter über den Firngrat nach Süden, in Richtung Almageller Hütte. Der Firngrat erweist sich als ausnehmend schön, auch wenn man sich doch ab und an denkt "ich sollte vielleicht nicht gerade an dieser Stelle stolpern". Schließlich geht der Grat in leichten Fels über, auf dem wir absteigen, bis das Firndreieck oberhalb des Zwischbergenpasses erreichbar ist. Wir "fahren" ab bis zum Pass und gehen von dort weiter zur Almageller Hütte. Nach dem "Belohnungs-Bier" für Schorsch (und für mich schon auch) geht's weiter bis ins Tal. Schöner Abschluss: Unterhalb des Wasserfalls am Ortseingang von Saas Almagell gibt's eine schöne Gumpe, und weil wegen des nahenden Gewitters sich die Touris schon verzogen haben: Kleidung runter und rein ins (allerdings saukalte) Wasser. Suuuper ... Der Felsgrat oberhalb des Zwischbergenpasses
Am nächsten Tag wollten wir dann aufbrechen zur Monte-Rosa-Hütte, um die Dufour-Spitze zu besteigen; über Nacht allerdings stellten sich in meinem linken Fuß Schmerzen ein, verbunden mit einer starken Schwellung. Der Spaltensturz ... das war's für mich. Und weil die andern beiden unter diesem Eindruck nicht das Risiko einer Zweier-Seilschaft an der Dufour-Spitze eingehen wollten, änderten sie ihr Ziel: Wir fuhren ins Val d'Anniviers, die beiden stiegen auf's Bishorn.

Und wie's da aussieht, erfährt man hier.