Klettersteigwoche in der Marmolada und Sella

Canazei – wir sind dabei / 05. bis 10.09.2005

Von Moni Hofer

Contrin-Hütte vor Vernel
   
Auf der üblichen Route haben wir Alba-Penia, ca. 3 km hinter Canazei, erreicht und an der Seilbahnstation geparkt. Sehr flott steigen wir in ca. 1 ¼ Stunden mit den schweren Rucksäcken zur Contrin-Hütte, 2016 m, auf. Die Hütte liegt im Talschluss des Val del Contrin, direkt vor dem Marmolada-Massiv. Der Hüttenwirt und das -personal sind freundlich, das Essen schmeckt sehr gut, es gibt sogar einmal Schweinshaxe. Das Zimmer mit Stockbetten in der Dependance haben wir für uns allein. Die Tür quietscht entsetzlich, bis sich unsere Herren erbarmen und mit ein wenig Öl Abhilfe schaffen.

Im Aufstieg zum Passo S. NicoloAm Nachmittag machen wir eine kleine Eingehtour zum Rif. Passo St. Nicolo auf 2340 m. Die Bewirtung dort lässt zu wünschen übrig, wir müssen lange warten! Dafür werden wir anschließend von Birgit mit ihrem bekannt guten Marmorkuchen verwöhnt.

Gleich in der 1. Nacht gibt es ein unangenehmes Geräusch! Um 4 Uhr 15!! Niemand reagiert. Jemand sagt: „Macht doch einer den Wecker aus!“ Keiner fühlt sich angesprochen. Nach „endloser“ Zeit klettert Marcel vom oberen Stockbett herunter, sucht seinen Rucksack, sucht darin nach seinem Handy und macht es aus. Verflixte Technik!

Auf der Hütte gibt es schon laufend Vorbereitungsarbeiten für den am kommenden Sonntag stattfindenden „Berglauf“. Der Vater unseres Hüttenwirtes hat diesen auch schon gewonnen (natürlich in jungen Jahren). Die letztjährige Siegerzeit für die ca. 5 km, die am Anfang recht steil beginnen, im Mittelteil flach taleinwärts ziehen und im letzten Viertel wieder ansteigen mit gesamt ca. 500 Hm , liegt bei 25 Minuten.

Am Marmolada-WestgratDas Wetter macht uns Sorgen, es richtet sich nicht nach den Vorhersagen! Deshalb wird gleich am Folgetag der Marmolada-Steig, korrekt der „Hans-Seyffert-Weg“ auf die Punta Penia, 3340 m, in Angriff genommen. Nach ziemlich steilen 900 Hm, an einer Scharte, beginnt der Klettersteig. Beim Anlegen des KS-Sets reichen die Kommentare von „i persenlich bin der Meinung, dass des a scheener Knotn is“ bis „bei mir baßt heit wieder gar nix“. Der Klettersteig führt etwa 400 Hm über den Westgrat mit vielen Eisenbügeln, die teilweise einen weiten Abstand haben. Kurzbeinige aufgepasst!

Marmolada-Gletscher mit LangkofelAuf über 3000 m wird es richtig kalt und neblig. Die vielen nassen Stellen sind teilweise vereist. Im Nebelreißen erreichen wir um Punkt 12 Uhr den Gipfel. Den mächtigen Marmoladagletscher, der von Nord heraufzieht, haben wir nur kurz gestreift. Unser Gipfelerfolg wird gebührend gefeiert. Während der Brotzeit teilen wir die Punta mit vielen Seilschaften, die über den Gletscher aufgestiegen sind. Unser Rückweg führt wieder über den Klettersteig, was zunächst besser geht als befürchtet. Allerdings rutscht Sabine auf einer vereisten Stelle aus, das Schienbein sieht bös aus. Marcel ist schon beim Aufstieg ausgerutscht und hat sich am Knie verletzt. Außerdem bekommen Sabine und Peter große Blasen an den Füßen (neue Schuhe).

Als nächstes steht der Finanzieri-Steig (Via ferrata dei Finanzieri) auf dem Programm. Den Steig haben Finanzbeamte angelegt, wohl um die Kundschaft auch auf einer anderen Ebene zu quälen ... Der Steig führt auf die Il Collac mit 2715 m. Knackig/rassig, kann man sagen: Viel Reibung, wenig Steighilfen, viele feuchte Platten, aber durchgehend gesichert. An einer sog. Schlüsselstelle - Umsteigen vom schrägen Fels auf luftige Leiterbügel - bekommt die Berichterstatterin Muffensausen und will nicht weitersteigen. Mit Überwindung und gutem Zureden geht es dann doch. Peter hat an diese Stelle auch ungute Erinnerungen, weil sich ein Karabiner verhakt und er leicht überhängend zurück steigen muss.Am Finanzieri-Steig vor der Langkofel-Gruppe

Während unseres Aufstieges, kurz vor dem Ziel, ziehen dunkle Wolken auf. Wir halten uns deshalb nicht lang auf dem nicht sehr ansprechenden Gipfel auf. Über einen steilen, teilweise versicherten Steig steigen wir bis zu einer grasigen Scharte auf 2500 m ab und legen erst hier eine kleine Rast ein. Ein unangenehmer Wind vertreibt uns bald. Der weitere, lange Abstieg über die Forcia Neigra zur Nicolohütte geht an Gefechtsstellungen aus dem 1. Weltkrieg vorbei, ein Relikt aus schlimmer Zeit. Gleich darunter grasen schöne Pferde mit ihren Fohlen. Nach dem Abendessen spendiert Peter ein Schnapserl, was die ohnehin gute Laune noch erhöht. Wir sind alle sehr zufrieden mit uns.

Am Gipfel des Col OmbertVon der heimatlichen Wetterstation Erich werden wir regelmäßig mit Wetterberichten versorgt. Für den Donnerstag vermeldet er nichts Gutes. Auch die örtlichen Wetterfrösche rechnen ab Mittag mit Regen und Gewittern. Deshalb haben wir uns eine kleine Bergtour auf den Col Ombert (den wir Camembert getauft haben), 2670 m, ausgesucht, um gegen Mittag wieder zurück zu sein. Auf den Col Ombert gibt es einen noch nicht allzu lang erneuerten Klettersteig. Die Meinungen über die Schwierigkeiten des Steiges gehen aber soweit auseinander, dass wir den Normalweg nehmen. Es wird ein richtig schöner Halbtages-Ausflug.

Beim Abstieg kehren wir in der Contrin-Alm ein. Auf einem Hügel direkt vor der Hütte stehen 1 Holztisch und 2 Bänke. In „guter“ deutscher Manier stecken wir unseren „Claim“ mit den Wanderstöcken im Halbrund ab. Die Wandergäste auf der Terrasse sind etwas irritiert. Sie merken aber schnell, wie nett und verträglich wir sind. - Es gibt besten hausgemachten Kuchen „wie bei Muttern“, selbstgemachten Käse, Joghurt und natürlich Kaffee und Bier. Rast an der Contrin-Alm: Sauguad!Ganz schön ausgelassen verbummeln wir den Nachmittag. So angenehm hat bestimmt noch niemand auf (das vorhergesagte) Schlechtwetter gewartet. Erst gegen Abend kommt starker Wind auf, nachts regnet’s heftig, Gewitter bleiben uns aber heute erspart.

Für den nachfolgenden Freitag ist aber endgültig Zwangspause programmiert. Wir nutzen den Tag für den ohnehin geplanten Quartierwechsel. Wir verabschieden uns von der Contrin-Hütte und steigen ab nach Penia. Der Weg ist vom Regen sehr aufgeweicht. Große Gruppen älterer, sehr netter Italiener sind aufwärts unterwegs, total überfordert von der Steilheit und dem Zustand des Weges. Das falsche Schuhwerk tut sein Übriges! Hans wird angesprochen, er erklärt, beruhigt, macht Mut und wiederholt alle paar Meter mit großer Geduld sein Verslein (auf italienisch!).

Im Tourismusbüro holen wir Wetterinformationen ein, erledigen im Ort kleine Einkäufe, ein Cappu geht auch noch und los geht’s in Richtung Sella zum Grödener Joch. Es gießt in Strömen, die Fahrerei macht echt keinen Spaß! Wir suchen und finden Quartier im Berghaus Frara direkt auf dem Joch, 2125 m. Es erscheint uns als Luxusherberge mit Doppel- und Mehrbettzimmern und warmen Duschen. Wir sind eingeschlossen von Nebelschwaden, es gießt wolkenbruchartig, es blitzt und donnert. Das Abendessen schmeckt ausgezeichnet. Die Wahrscheinlichkeit für einen weiteren Klettersteig sinkt gegen Null. Beim anschließenden Beisammensitzen auf dem Mehrbettzimmer wird das weitere Programm beratschlagt, ein Abbruch in Erwägung gezogen, aus reiner Verzweiflung Wein getrunken und Spiele gemacht.

Im Pisciadu-SteigNoch beim Frühstück ist nicht die Hand vor den Augen zu sehen. Die gemeinsame Beratung tendiert zu Nein. Da reißt es kurz auf – wir stürmen zum Einstieg des Pisciadu (gespr. Pischadu = Wasserfall), der ganz nah am Quartier liegt. Im ständigen Wechsel zwischen Nebelreißen und kurzer Sonne führt der Weg über eine wunderschöne, witzige Steiganlage, knapp an einem Wasserfall vorbei, mit überraschenden Tiefblicken. Eine Pendelbrücke am Ausstieg beendet nach 2 ½ Stunden eine absolute Genusstour. 15 Minuten geht’s noch aufwärts zur Pisciadu-Hütte und zum malerisch gelegenen, jadegrünen See. Das Wetter hat ausgehalten!

Gleich wird's luftig: Hängebrücke am Pisciadu-SteigDer Klettersteig heißt eigentlich Via ferrata Brigata Tridentina, weil dem Hüttenwirt und Erbauer des Steiges, Germano Kostner, Alpinisoldaten aus dem Trentino hilfreich zur Seite standen. Die Hütteneinkehr steht unter dem Zeichen der Dankbarkeit, dass dieses schöne Erlebnis doch noch möglich war, wir haben nicht mehr damit gerechnet.

Beim Abstieg über einen steilen, im oberen Drittel versicherten Steig hat uns der Regen erwischt. Wahrscheinlich haben wir deshalb nur die Hälfte (1 Stunde) der angegebenen Zeit gebraucht. Das Umziehen am Auto wird rasant erledigt und los geht’s zur Heimfahrt. Am Brenner wird noch eine Kaffepause eingelegt.

An der Pisciadu-Hütte: G'schmeckt hat's!Mit unserem Verslein Von der Confitüre (Contrinhütte) über die Marmelade (Marmolada) zum Camembert (Col Ombert) verabschieden wir uns. Lieber Hans, das war wieder eine super Tour unter Deiner fachmännischen Regie, herzlichen Dank. Vielleicht hat gerade der Wechsel von schönen Unternehmungen und „Zwangspausen“ den besonderen Reiz dieser Woche ausgemacht. Das heißt aber auch, dass die Alpenkranzler eben nicht nur gute Bergsteiger sind, sondern sich auch von widrigen Umständen den Spaß nicht verderben lassen.

   

Wir, das waren in diesem Fall:
Unser Führer Hans Sterr, Sabine Sautter, Birgit Welnhofer, Hans Mau,
Peter Gebel, Marcel Böhm, Moni Hofer (Bericht)

Am Gipfel der Punta Penia / Marmolada