Augsburger Höhenweg

Die Traumstraße der Lechtaler Alpen

Von Hans Sterr

Traumhafte Ausblicke bei gutem Wetter

Klingt die Führerbeschreibung nicht ein wenig überheblich: "Traumstraße"? Am besten: Selber rausfinden. Also fuhren wir als Sektionstour in die Lechtaler Alpen, um einen der anspruchsvollsten Höhenwege der Nördlichen Kalkalpen unter die Füße zu nehmen. (Nebenbei bemerkt: Es ist ein Kreuz mit dem Fernpass ...)

Von Grins aus steigt man auf in Richtung Augsburger Hütte, die man schon vom Ort aus sieht (was die bevorstehenden 1200 Hm nicht leichter macht). Es finden sich im Aufstieg schöne Rastplätze, Wasser gibt's reichlich, das Wetter ist wunderbar, und die Hütte selbst und die Wirtsleute erweisen sich als sehr gastfreundlich. Wenn die aussichtsreich gelegene Hütte nach der Renovierung wieder ein bisschen Patina angesetzt hat, wird's sicher noch gemütlicher ...

Am nächsten Tag gibt's auf unseren Wunsch Frühstück schon um 06.30 Uhr; wir haben schließlich einen langen Weg vor uns. Zunächst zieht der Weg steil durch den Schotter der Gasillschlucht nach oben; der eine oder andere bemerkt den Wein des Vortages.  Bei 2600m beginnt der eigentliche (Kletter-)Steig. Nachdem man etwa 200 Hm durch Fels gestiegen ist, trifft man auf den flachen, praktisch spaltenfreien (ohne Gewähr) Grinner Ferner. Hier zeigen sich die ersten Auswirkungen der Schneefälle der letzten Tage: Der Schnee ist relativ weich, wir sinken oft ein.  Nach dem Grinner Ferner, vor dem Dawinkopf
Am Ostgrat zum Dawinkopf, hinten die Parseierspitze In Richtung Dawinkopf wird's dann wesentlich besser: Auch hier gibt es zwar zum Teil genug Schnee und Überwächtungen, aber zumeist finden wir relativ guten Fels und an den teilweise luftigen Stellen am Ostgrat befinden sich gute Stahlseile. Die Kletterei ist sehr abwechslungsreich und der Steig dem Gelände angepasst, nicht abgetrotzt. Das Weiterklettern dauert trotzdem ein wenig länger: Es gibt halt so viel zu fotografieren ... das phänomenale Wetter tut ein übriges, so dass wir immer wieder stehen bleiben und die Aussicht genießen, ein bisserl getrübt nur manchmal durch den kalten Wind an den Scharten.
Am Dawinkopf selbst (mit 2968m dem dritthöchsten Gipfel der Nördlichen Kalkalpen) gönnen wir uns zunächst mal eine kleine Pause, und der Service am Gipfel ist hervorragend: Die Kletterer, die den Gipfel von Süden angegangen sind und Routen am Dawinkopf einrichten, haben Krimsekt dabei und lassen auch uns nicht verkommen ... Nebenbei lassen wir uns von dem Bergführer der Kletterer die Aussicht erklären und staunen Klötze: Wir sehen von der Wildspitze über Cevedale, den Ortler und die Königspitze sogar bis zu den Riesen der Bernina. Phänomenale Aussicht am Dawinkopf
Steiler Abstieg vom Dawinkopf Nach der Gipfelrast geht's dann zunächst steil runter in die Scharte zwischen dem Südlichen Schwarzen Kopf und dem Dawinkopf, bevor der weg dann zunächst etwas "zahmer" Richtung Dawinscharte zieht. Und hier wird auch gleich die nächste "Zwangspause" fällig: Wie von oben schon zu sehen war, ist die folgende Querung unterhalb der Eisenspitze tief verschneit, weshalb wir zur Sicherheit unsere Steigeisen anlegen.

Und die sollten sich tatsächlich auch als sehr nützlich erweisen: Der Schnee ist tief und stellenweise unzuverlässig; die Steigeisen verleihen den nötigen Halt. Die zum Teil vorhandenen Stahlseile nutzen wenig bis nichts: Sie sind zumeist unter tiefem Schnee begraben und deshalb nicht benutzbar. Wir steigen langsam vorwärts und sind froh über eine kleine Felsunterbrechung in der Mitte der Querung: sehr steil geht es am Seil über eine Verschneidung nach unten, bevor sich der ausgesetzte Weg durch den Schnee fortsetzt. Der Gedanke an die an dieser Stelle herrschende große Steinschlaggefahr macht das ganze nicht leichter ... Endlich erreichen wir über einen zehrenden Gegenanstieg die Parseier Scharte: Steigeisen und Helm runter, eine ausgiebige Rast (nach bisher 5 Stunden Tour) steht an.

Ausgesetzte Querung unter der Eisenspitze

Der Weiterweg erfordert bergsteigerisch jetzt deutlich weniger als der erste Teil des Höhenweges (obwohl er auch hier nicht "leicht" wird), landschaftlich bleibt er dennoch interessant. In ständigem Auf und Ab strebt man in einer großen Schleife der Ansbacher Hütte zu; die beiden Gegenanstiege fordern noch einmal etwas (vor allem die Nerven), aber schließlich läuft der Weg nach insgesamt neun Stunden fast eben zur Hütte, wo wir uns für unsere Mühen "belohnen". Die folgenden 1200 Hm Abstieg nach Flirsch fahren uns ordentlich in die Knochen, und schließlich erwischen wir noch einen super Stau hinter Garmisch, was uns die schöne Tour aber nicht mehr verderben kann. Traumstraße? Der Augsburger Höhenweg trägt den Namen zurecht!

Teilnehmer: Sabine Sautter, Alex Linke, Schorsch Lenz, Marcel Böhm, Carsten Mehr, Günter Budil (Respekt vom Tourenleiter an die gesamte Gruppe, die sich sowohl bergsteigerisch als auch konditionell tapfer geschlagen hat und die auch sonst ein "guter Haufen" war!)
Touristische Angaben 
Höhenunterschiede: Grins - Augsburger Hütte 1200 Hm
Augsburger Höhenweg 1250 Hm
Ansbacher Hütte - Flirsch 1200 Hm
Gehrichtung: Günstig von der Augsburger zur Ansbacher Hütte, da sich die Hauptschwierigkeiten im Abschnitt von der Augsburger H. zur Parseier Scharte befinden und man so noch genügend Kraft und Konzentration hat
Ausrüstung: Anseilgurt, Klettersteig-Set, Helm ( ! die Querung unter der Eisenspitze ist extrem, andere Wegstrecken sind stark steinschlaggefährdet ! ), je nach Verhältnissen Seil, Pickel und Steigeisen (letztere waren sehr hilfreich, s.o.)
Gehzeit: Unsere versierte und konditionsstarke Gruppe (man entschuldige das Eigenlob) benötigte 9 Stunden von Hütte zu Hütte, ansonsten je nach Verhältnissen und eigenem Können (umfassende Trittsicherheit und zum Teil auch Schwindelfreiheit sind dringend angeraten!). Eine Gruppe am Vortag benötigte über 11 Stunden. Die Gehstrecke von Hütte zu Hütte beträgt 20 km (inkl. 1250 Hm), also evtl. Übernachtung auf der Ansbacher H. einplanen!
Parken: Ca. 200 m nach (!) dem Schwimmbad in Grins. Günstig ist es, ein zweites Auto für die Rückkehr in Flirsch abzustellen; Fahrzeit Grins - Flirsch etwa 20 min.
Sonstiges: Nach der Parseier Scharte gibt es nur noch einmal Wasser (im ersten Tobel); das auf der Karte eingetragene "Grüne Brünnele" ist praktisch trocken: Also die erste Möglichkeit zum Nachfüllen nutzen!
Hans Sterr, 17. September 2000