Dammastock und Gletscherdusche

Hochtourenwoche auf der Trifthütte in den Urner Alpen

Trifthütte, 2520m

Von Monika Hofer / Fotos: Hans Sterr

   

Windegghütte, 1887m

Sonntag
Drei Alpenkranzler und unser Führer Hans Sterr machten sich am 27.07.2003 schon sehr zeitig von Erding auf den Weg und gabelten in Landsberg-Lechwiesen noch die zwei Münchner auf. Bei guter Fahrt über Bregenz, Walensee, Obersee, Schwyz, am Urner See entlang zum Sustenpass sind wir an unserem Ausgangspunkt Schwendi angekommen, haben „die Pferde gesattelt“ und sind kurz vor 12 Uhr über einen sehr schönen Steig schweißtreibend zur Windegghütte (1887 m) aufgestiegen, wo wir nach 3 ½ Stunden endlich die Fahnen sahen und Quartier bezogen. Nebel zog auf, später Gewitter und starker Regen!

 Montag
Der Weiterweg am nächsten Morgen zu unserem Standquartier Trifthütte begann immer noch im Nebel, aber es regnete nicht mehr. Nachdem der bisherige, sehr schöne „Sommerweg“ wegen Unterspülung des Gletschers gesperrt werden musste, blieb nur der sog. Winterweg als Aufstiegsmöglichkeit: Über Blockwerk, Schneefelder und sogar (leichter) Kletterei erreichten wir nach rd. 1000 Hm eine (namenlose) Scharte und legten unsere Mittagsrast ein. Witterungsbedingt wurde die Besteigung des Steinhüshorns auf den Rückweg verschoben. Leichter Regen setzte ein. Dann wurde es ernst: Nach Anlegen der Ausrüstung und Überprüfung durch Hans bekam die Seilschaft erste Gletscherberührung. Die überall zu verzeichnende Abschmelzung und Ausaperung hat besonders dem Triftgletscher zugesetzt. Die dadurch entstandenen großen Spalten und der permanente Nebel ließ den Weiterweg fast zum Abenteuer werden. Plötzlich waren Felsen im Gelände, die nach Karte nicht sein konnten! Also den vermeintlich falschen Weg zurück, wieder Karten- und Kompassvergleich, um festzustellen, dass nicht der Weg, sondern die Felsen „falsch“ waren (durch Abschmelzung erst entstanden). Ein Lichtblick: Es gab Stangen im Gletscher, in durchsichtig/grauer Farbe, aber immerhin! Der Ehrgeiz der Truppe war geweckt, Wolfram wurde zum „Adlerauge“. Die „Orientierungshilfen“ haben uns kreuz und quer geschickt und einige tiefe Spalten konnten nur durch Sprünge überwunden werden.

Gletscherquerung bei Nebel

Claudia im "Waschraum"

Dank der ausgezeichneten Führung von Hans haben wir nach 7 Stunden unbeschadet die Trifthütte (2520 m) erreicht und wurden von den beiden (ehrenamtlichen) Hüttenwarten Gerhard und Peter sehr herzlich begrüßt. Die beiden zauberten ein schmackhaftes Abendessen, bei Kerzenlicht (nicht wegen der Romantik, sondern aus Energiegründen) haben wir den Tag Revue passieren lassen und waren sehr zufrieden. Wer sich allerdings nach diesem anstrengenden Aufstieg auf eine warme Dusche gefreut hat, wurde enttäuscht: Als Waschgelegenheit diente 1 Steintrog in freier Lage vor der Hütte, Wasserzufuhr: Gummischlauch mit Gletscherwasser. Die Körperpflege nahm teilweise überraschend wenig Zeit in Anspruch. Ein paar unentwegte allerdings (Hans, Günther, Erich) haben tatsächlich die oberhalb der Hütte installierte „Dusche“ benutzt: Ebenfalls Gummischlauch mit Gletscherwasser.

Dienstag
Trotz des unbeständigen Wetters haben wir uns um 7 Uhr 30 auf den Weg zum Diechterhorn (3.389 m) gemacht, auf Besserung hoffend. Der Aufstieg über den Gletscher war mühsam. (Bei einigen hing noch der anstrengende Auf- und Abstieg vom Vortag mit vollem Gepäck in den Knochen). Den Gipfel haben wir nicht erreicht: Von einer Seite zogen Nebelschwaden auf, von der anderen schwarze Regen- oder sogar Gewitterwolken. Um 11 Uhr, bei einer Höhe von 3.100 m, haben wir umgedreht und kamen gegen 13 Uhr zur Hütte zurück. Eine warme Suppe tat uns gut. Wir waren die einzigen Gäste auf der Hütte, richtig familiär.
 - Brot wird knapp –

Spaltiger Abstieg vom Diechterhorn

Am Fixseil zum Gipfel

Mittwoch
Heute steht die Königsetappe auf dem Programm: Der Dammastock, mit 3.630 m die höchste Erhebung der Urner Alpen. Marschbefehl: 6 Uhr! Um 5 Uhr 50 sind alle vollständig abmarschbereit – tolle Truppe! Bei idealen Bedingungen, auf steigeisenfestem Eis und Schnee, sind wir losmarschiert und gut vorwärts gekommen. Für die Gipfelbesteigung allerdings wurde wegen der Hangneigung von ca. 40 Grad und vereisten Stellen ein Fixseil in mehreren Etappen gelegt (sehr spannend), und um genau 12 Uhr standen wir auf dem höchsten Punkt. Was für eine Belohnung für unsere Mühen – wir sind überwältigt, von uns und dem Panorama!

Nach den obligatorischen Gipfelfotos war rascher Abstieg angesagt, es zog eine gewittrige Stimmung auf. Nach gut 10 Stunden und 1350 Hm sind wir um 16 Uhr 15 zurückgekommen, nur ein ganz kurzer Regen hat uns erwischt. Nun gab`s ein kräftiges Schulterklopfen, es wurde nicht mit gegenseitigem Lob gespart.
- Brot wird rationiert –

Gipfel des Dammastock, 3630m

Zielgenau setzt der Heli seine Last ab

Der Donnerstag
sollte, auch wetterbedingt, ein Ruhetag werden. Auf den Gipfeln lag frischer Schnee. Die Zeit wurde mit Knotenkunde und simulierter Spaltenbergung mit Flaschenzugbau genutzt. Als praktische Übung wurde Hans aus einer (Fels-)Spalte „gerettet“. Ein dann beabsichtigter Ausflug rund um die Hütte fiel buchstäblich ins Wasser. Heute sollte außerdem der Hubschrauber neue Lebensmittel und frisches Brot bringen, das Wetter war trostlos. Aber genau zur vereinbarten Zeit riss eine Schneise auf und der sehnlichst erwartete Heli flog ein und setzte punktgenau das große Netz vor die Hüttentür, für uns sehr aufregend! Mit dem Heli kam Lorenz, ein netter junger Mann, als Ersatz für Gerhard, der am Morgen mit zwei anderen Besuchern abgestiegen ist, also sein zeitliches Ehrenamt beendete. An Lorenz haben wir uns schnell gewöhnt. Die ganze Gruppe hat tatkräftig Koch- und Küchendienst übernommen.
- Es ist immer noch altes Brot da, wir sind enttäuscht! –

Am Freitag
gibt’s zum Frühstück frisches Brot! Nun sollte ein neuer Versuch auf das Diechterhorn starten, um 7 Uhr ging's los - und es hat geklappt. Die auch hier teilweise großen Spalten wurden umgangen, bevor wir zu einer riesigen Randkluft, dem Gipfelaufbau entlang, kamen. Unsere Befürchtung, nicht ganz hinauf zu kommen, erwies sich als grundlos. Wir zogen rechts vorbei und sind ein kurzes Stück auf der Hinterseite aufgestiegen, um 11 Uhr standen wir auf 3.350 m. Bei strahlendem Wetter, im Blickfeld die Schmankerln: Eiger, Mönch, Jungfrau, Matterhorn usw. usw. Hans wurde nicht fertig mit dem Aufzählen der imposanten Gipfel. Es wurde ausgiebig genossen und fotografiert. Der Abstieg durch den mittlerweile sehr sulzigen Belag war anstrengend, aber von Hochgefühlen getragen. Nach 1050 Hm und insgesamt 7 ½ Stunden sind wir restlos zufrieden zur Hütte zurückgekehrt.

Am Gipfel des Diechterhorns
"Kennst alle Berg, Wolfi?" - "Eh klar, Schatzi." Nach einer kurzen Ausruhpause sind Hans, Erich und Günther ein Teilstück des inzwischen gesperrten Sommerweges gegangen, bis der Nebel wieder zuzog. Zum Abendessen wurde diesmal der große Mitteltisch gedeckt, Peter und Lorenz leisteten uns Gesellschaft. Zwischendurch kamen 3 junge Leute, die versehentlich den (gesperrten) Sommerweg erwischten und ziemlich ausgelaugt waren. Aufbruchstimmung kam auf: Rechnungen vergleichen, bezahlen, packen, schlafen legen.

 Am Samstag
haben wir uns das Abschiedsfrühstück noch mal so richtig schmecken lassen! Lorenz hat Bircher Müsli gemacht. Mit allen guten Wünschen wurden wir verabschiedet und wir dankten herzlich für die gute Betreuung und die hervorragende Verpflegung. Um 7 Uhr 15 zog die Gruppe in Richtung Gletscher. Bei nun guter Sicht ging der Aufstieg zur Scharte zügig und problemlos vonstatten. Claudia, Wolfram, Günther und Hans zogen auf`s Steinhüshorn und kamen um 12 Uhr zurück. Moni musste wegen der Fußprobleme passen (große Wasserblasen an beiden Füßen) und Erich leistete ihr Gesellschaft. Den anschließenden Abstieg von der Scharte wollten wir möglichst rasch hinter uns bringen, sodass nur eine kurze Trinkpause eingelegt wurde. Der Weg über zuerst steile Felsen und Wasserläufe wurde gut bewältigt, die am Beginn noch ziemlich harten, steilen Schneefelder erforderten Vorsicht. Die Anspannung ließ Moni den Fußschmerz fast vergessen. Aber endlich war auch das geschafft.

Chilchlistock (links) und Steinhüshorn
Abstieg von der Scharte bei P. 2660 Der weitere Weg zur Windegghütte zurück über loses Geröll und Blockwerk war sehr anstrengend und teilweise sogar gefährlich wegen Steinschlaggefahr, was ohne weiteres hätte vermieden werden können bei logischerer Wegführung! Der Aufstieg im Nebel (am Montag) erfolgte größtenteils auf eigener Route und erschien uns im Nachhinein sogar günstiger. Nach einem strammen Marsch sind wir um 16 Uhr 15 auf der Windegghütte angekommen, haben 825 Hm im Aufstieg und 1.365 Hm im Abstieg bewältigt. Wie zur Belohnung konnten wir unser Abendessen auf der Terrasse einnehmen, bei herrlichem Sonnenschein. In der Gaststube der Hütte hat die Holzfeuerung die Gäste „geröstet“.

Nach einer geruhsamen Nacht sind wir am letzten
(Sonn-)Tag
zum Ausgangspunkt Schwendi abgestiegen. Böse Überraschung: Moni hat das Licht brennen lassen, das Auto machte keinen Mucks mehr. Mit vereinten Kräften und einigen Anstrengungen konnte das Auto zum Laufen gebracht und die Heimreise angetreten werden. Nach einer Mittagsrast in Sattel wurde in Diepoldsau getankt und Claudia und Wolfram verabschiedet, die noch einen Tag in Lindau bleiben wollten. In Erding sind wir wohlbehalten um 18 Uhr 15 angekommen. Monis Auto gab auf der Stelle den Geist auf und musste abgeschleppt werden, aber das ist eine andere Geschichte.

Abendstimmung über dem Triftgletscher
   
Lieber Hans, wir bedanken uns für die anspruchsvolle, auch anstrengende, aber wunderschöne Bergfahrt, die Du mit gewohnter Sorgfalt vorbereitet, mit Know How durchgeführt und sichtlich auch selber genossen hast. Aber gell, wir waren schon auch super!? (Anm. Hans: Eh klar, Moni!)

Unterwegs waren (v.l.):
Hans
Sterr, Günther Budil, Moni Hofer (Tourenbericht), Erich Schulze, Claudia und Wolfram Honsberg
Tolle Gruppe!
 

Weitere Bilder
Abend über dem Mährenhorn
Im Nebel-Aufstieg zum P. 2660
Dammastock, 3630m
Sonne über der Obri Triftlimi
Die "Dusche" der Trifthütte
Mond über der Trifthütte
Im Aufstieg zum Steinhüshorn
Abschiedsstimmung