Haute Route / Mont Blanc (6. - 16. April 1997)

Von Birgit Laufer

Die klassische Haute Route von Chamonix (bzw. Argentière) nach Saas Fee. Jeder Skitourengeher hat schon einmal davon gehört: Landschaftlich ein Traum, aber es kursieren auch Schreckensmeldungen von Menschenmassen auf den Tourenabschnitten und hoffnungslos überfüllten Hütten. Nun, wir hatten Glück: Eine nette Truppe von vier Leuten, dazu ein hervorragender und sympathischer Bergführer vom DAV Summit Club, gute Schneeverhältnisse - und 10 Tage Sonne pur! Zwar waren reichlich Leute unterwegs - der Traum eines Skitourengehers von unberührten Hängen kann hier wohl nie erfüllt werden - und teilweise lag man auch "auf Tuchfühlung" im Lager, aber keine der Hütten (auch nicht am Mont Blanc!) war überfüllt.
Ich will hier nicht auf die einzelnen Tourenabschnitte eingehen, die können in jedem Führer der Westalpen oder in Programmen von Bergsteigerschulen nachgelesen werden. Höhepunkte der Haute Route sind neben den Gipfeln Pigne d´Arolla (3796 m) und Strahlhorn (4190 m) vor allem die zahlreichen Paßübergänge und traumhafte Abfahrten auf weiten Gletschern.


Am Grand Combin: Plateau du Couloir

Zugegeben, wir hatten optimale Verhältnisse. Da konnte mangelnde Erfahrung im Bergsteigen an sich leicht durch gute Kondition ausgeglichen werden. Bei einer Abmarschzeit meist um 6.00 Uhr (so, daß man gerade keine Stirnlampe mehr brauchte) waren wir meist schon am Nachmittag am Ziel und es blieb ausreichend Zeit, um an der Hütte Klamotten und Felle zu trocknen, in der Sonne zu dösen... . So glich denn auch z.B. die Umgebung der Cabane de Chanrion glatt einem Strand!


Pigne d´Arolla (3796 m): Panoramablick über das Wallis.

Ich möchte nicht den Eindruck vermitteln, daß die Tour ein Spaziergang ist. Die zu bewältigenden Höhenunterschiede (bis zu 1600 m Aufstieg) und auch die absolute Höhe, bis 4190 m am Strahlhorn, sowie Hütten teilweise auf gut 3000 m sind halt "Westalpen-mäßig".
Aber jeder einzelne Tag war - zumindest bei uns - nicht nur ein Abschnitt auf der gesamten Route, sondern bereits eine sehr lohnende Bergtour. Die gesamte Haute Route wurde somit zu einem unvergeßlichen Bergerlebnis und war auch die beste Vorbereitung auf den geplanten Höhepunkt der ganzen Tour: der Mont Blanc.


Auf dem Gipfel des Strahlhorns (4190 m): Blick auf die Viertausender des Wallis', vorne das Matterhorn.

Von Saas Fee, bzw. von unserem sehr zu empfehlenden Hotel Bergfreund in Herbriggen, fuhren wir also wieder zurück zu unserem Ausgangspunkt in Argentière und weiter nach Chamonix. Somit wurde ein Ruhetag eingelegt, der nach der vergangenen Woche auch gut tat und mit gutem Essen, einem Bummel durch Chamonix, Besuch des "Maison de la montagne" und schlafen ausgefüllt wurde. Fit für den Aufstieg zum Mont Blanc??


Das letzte Stück zur Vallot-Hütte (4365 m).

Am nächsten Morgen ging's mit der ersten Seilbahn von Chamonix aus mit dem "Téléphérique de l'Aiguille du Midi" bis zur Mittelstation Plan de l'Aiguille und dann etwa 750 Höhenmeter Aufstieg zum Refuge Grands Mulets. Dort wurde alles am Abend noch mal hergerichtet, dann ging's früh zu Bett, denn schon um 10 vor 1 (0.50 Uhr!) kam die Hüttenwirtin mit einem freundlichen "Bonjour!" zum Wecken. Und wenn der Nachbar im Lager dann noch gutgelaunt ruft "Aufstehen Leute, der Berg ruft!", fängt man doch an, an sich und seinem Verstand zu zweifeln. Kurz darauf, zu einer Zeit, wenn die Gäste unten in Chamonix vielleicht gerade zu Bett gingen, gab's Frühstück. (Manche Leute scheinen schon mit Gurtzeug und Karabinern geschlafen zu haben!) Nachdem man dann noch etwas schlaftrunken den Felssporn, auf dem die Grands Mulets-Hütte liegt, heruntergeklettert ist (freundlicherweise gibt es hier Drahtseilsicherungen) kann gegen 2.00 Uhr der Gipfelsturm beginnen - was in unserem Fall wörtlich zu nehmen war! Der Aufstieg - 4 Stunden mit Stirnlampe - bis zum Grand Plateau war kein Problem, dann aber wurde es ungemütlich. Der Sonnenaufgang hier oben aber war phantastisch - allein dafür hat sich der Aufstieg schon gelohnt! Auf dem letzten Stück vor der Biwakschachtel Refuge Vallot (4365 m) wurde es dann recht stürmisch. So hieß es erst einmal Pause in der Blechschachtel machen, in der sich schon etwa 30 Leute (mit Steigeisen an den Füßen!) tummelten. Alles wartete dort, versuchte sich aufzuwärmen und hoffte auf ein Nachlassen des Höhensturmes. Der aber war so stark, daß es einen glatt vom Bosses-Grat runter geweht hatte. So hieß es für uns, wie auch für die anderen: "Rückzug ohne Gipfel". Die Abfahrt dann zur Grands Mulets-Hütte zurück und weiter zur Mittelstation war traumhaft, ein Genuß für den sich der Aufstieg auf jeden Fall gelohnt hat!!


Unterhalb der Vallot-Hütte, jetzt folgt noch eine traumhafte Abfahrt bis zur Mittelstation Plan de l´Aiguille.

Unten in Chamonix war es dann frühlingshaft warm, so daß das Ende unseres Urlaubes im Biergarten gefeiert werden konnte!

Für mich war diese Tour, die ganzen 10 Tage, bisher das Bergerlebnis schlechthin, nicht zuletzt deshalb weil wirklich jeder einzelne Tag eindrucksvoll und überaus lohnend war. Ich möchte an dieser Stelle auch Sigi Ludwig noch einmal danken für die hervorragende Führung, die ausgesprochen nette Atmosphäre - und das Verständnis für "Steigeisen-Anfänger".

 

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HTML: Thomas Karwath, 11. Juni 1998