Zwischen Furka und SustenHochtourenwoche in den Urner Alpen vom 29.07. - 04.08.2001 |
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Technisch leichte Gipfel in den Urner Alpen .... ob das vielleicht auch für mich machbar ist? Schon lange wünschte ich mir das Erlebnis einer Gletscherbegehung. Hans Sterr, der im jüngsten Programmheft diese Tour angeboten hat, ermutigte mich zur Teilnahme, und sein Vertrauen in meine alpinen Erfahrungen half mir über manch eigene Zweifel hinweg. | |
Wir waren insgesamt eine Gruppe von 8 Leuten - 5 Männer und zum Glück ( !) auch 3 Frauen – die, wie ich während unserer Tour feststellte, ganz ausgefuchste Bergsteigerinnen waren. Gleich am ersten Nachmittag beeindruckte mich Hanni, wie sie sich zu Übungszwecken absolut cool in eine tiefe Gletscherspalte abseilte, um sich von vom Rest einer Seilschaft ordnungsgemäß bergen zu lassen. Ich selber übte mich lieber darin, den Halt meiner Steigeisen auf Blankeis zu testen, und ich muss gestehen, dass selbst am Ende der Tour ich ab einer bestimmten Hangneigung immer noch nicht so recht glauben wollte, dass ich mich auf sie tatsächlich verlassen kann! |
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Am ersten Tourentag – als Einstiegstour gedacht – bescherte uns Hans gleich einen ordentlichen Gipfel, den Fünffingerstöck. Da wir zu Acht waren, hatten wir einen zweiten Tourenführer dabei, den Christian, seit einer Woche erst Fachübungsleiter (mit einer sagenhaften Kondition, da erst vor kurzem aus dem Hochgebirgszug der Bundeswehr in Bad Reichenhall entlassen). Als Dritte in der Seilschaft bremste ich ihn ab und zu in seinem Tempo ein; diese wortlose Kommunikation per Seilzug funktionierte tadellos, sofort korrigierte er sein Tempo. An einer Stelle, an der es einige Meter senkrecht nach oben ging und ich mal wieder am Halt meiner Steigeisen Zweifel hatte, da war es Christian, der mir mit leichtem Seilzug nach oben verhalf. |
Am zweiten Tag stand „nur“ ein Hüttenaufstieg an, aber beinahe hätte uns die Schweizer Armee einen Strich durch die Rechnung gemacht! Bereits am Tag vorher war unser Quartier auch von Soldaten bezogen worden; vor der Hütte stellten diese ein Holzhäuschen mit Herz und Geranien auf, wo wir uns informieren konnten über die Schießpläne der Schweizer in den nächsten Tagen. „Wenn Ihr auf dem Wanderweg zur Hütte bleibt, kann nichts passieren; wir schießen nur auf den Tierbergligletscher! Und übermorgen müsst Ihr bis 12 Uhr von der Tierberglilücke weg sein; wenn wir Bergsteiger sehen, dann schießen wir allerdings nicht!“ Auf solche Weise „beruhigt“ gingen wir los, immer wieder begleitet vom Kanonendonner. |
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In der folgenden Nacht wollten wir das
Sustenhorn besteigen, um den Sonnenaufgang am Gipfel zu erleben: Ein Traum
vom Hans, mit dem er uns alle angesteckt hat! Gleich nach dem Abendessen ab
ins Bett und ausruhen hieß also unsere Devise; leider hatte sich die
Schweizer Armee für die Nacht noch eine Menge Munition aufgehoben; die
Soldaten schossen herum, dass die Hütte wackelte und die
Gefechtsfeldbeleuchtung erhellte den Himmel. Christian, der seine
Bundeswehrzeit innerlich noch nicht ganz abgehakt hat, riss es förmlich aus
dem Bett: dieses Spektakel kann man sich einfach nicht entgehen lassen!
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Trotz aller Widrigkeiten erreichten wir den Gipfel des Sustenhorns um 5 Uhr früh, gerade als die Morgendämmerung heraufzog und der wunderbare nächtliche Sternenhimmel zu verblassen begann. Bei eisigem Wind harrten wir noch eine Stunde aus; keiner murrte , niemand wollte dem Hans diesen Traum vermiesen und ein grandioses Schauspiel war es wirklich, als die Sonne über den Bergen aufging. |
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Wir verließen den zugigen Gipfel um weiter
unten ab der Scharte auch noch einen zweiten Gipfel, den des Gwächtenhornes
zu stürmen. „Wennst scho amoi da obn bist, kannst den a no glei mitnehma!“
(Originalton Hans Sterr). Und es haben ihn alle mitgenommen – außer mir. Ich habe mir ein gutes
Stück vor dem Gipfel einen herrlichen Sonnenplatz gesucht und den anderen
erleichtert nachgesehen, bevor ich angesichts einer herrlichen Bergkulisse
in einen kurzen Dämmerschlaf versank. Viel zu schnell waren mir die anderen
wieder zurück und Hanni stellte trocken fest: „Um hoibe zehne in da Fria war
i a no nia mit zwoa Berg fertig.“ Irgendwie kamen wir auch noch zur gemütlichen Chelenalphütte hinunter und verbrachten den Rest des Tages in komaähnlichem Schlaf. |
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Ich hatte wieder Zweifel, ob ich die Woche durchstehen würde; doch da zeigte sich, wie wichtig Frauensolidarität sein kann. Sabine baute mich mit tröstlichen Worten auf und siehe da: bei der nächsten Tour war ich topfit und konnte sie wirklich genießen. |
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In weiser Voraussicht auf den noch bevorstehenden erneuten Hüttenaufstieg begnügte ich mich mit dem bisher Erreichten und gönnte ich mir eine schöne Rast auf der Tierberglilücke . Ein großer Teil unserer Gruppe konnte jedoch nicht widerstehen und nahm hier noch einen Gipfel mit – allen voran Christian, der, befreit vom Seil und bremsender Gruppe, praktisch im Dauerlauf die 100 Höhenmeter hinaufstürmte. | |
Rechtzeitig bevor die Schweizer wieder zu schießen begannen, räumten wir das Feld. Meine Vorahnung hatte mich nicht getäuscht: erst weit unten erreichten wir den steilen Pfad , der uns zur 2.500 m hoch gelegenen Trifthütte führte. |
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Unsere Mühen wurden jedoch reichlich belohnt durch den herrlichen Ausblick, der sich uns auf den gewaltigen Eisbruch des Triftgletschers samt herabstürzendem Wasserfall bot, und auch die Alpenflora war großartig. Wir ahnten noch nicht, dass dieser Tag der letzte Sonnentag unserer Tour sein sollte. Gutgelaunt erreichten wir die hochgelegene, äußerst gemütliche Hütte, wurden von der gastfreundlichen Wirtin Inge per Handschlag begrüßt – wir waren an diesem Tag die einzigen Gäste – genossen ein Bier in der nachmittäglichen Sonne und amüsierten uns über die fest mit Stahlseilen verzurrten Klohäuschen über schwindelndem Abgrund und die einzigartige Duschvorrichtung, die Hanni, Sabine und Hans als die ganz Hartgesottenen unter uns auch tatsächlich gleich ausprobierten. | |
Unsere Freude währte jedoch nicht lange: Der Himmel trübte sich zunehmend, die hohen Ziele für die nächsten beiden Tage, allen voran der Dammastock mit seinen 3.630 Metern wichen kleineren Gipfeln, die von der Hütte mal schnell zu machen wären. Doch Sturm und Nebel am nächsten Tag zwangen alle zu einem ruhigen Hüttentag. Unsere Zuversicht für den Samstag wurde von dem nicht so schlechten Wetterbericht genährt und mein Mann und ich hatten Hoffnung, unseren 23. Hochzeitstag mit einer schönen Gletschertour zu krönen. Tatsächlich wurde es dann jedoch der nasseste, den wir je erlebt haben! Kein Gipfelglück am Dammastock, sondern ein fünfstündiger Abstieg zur Sustenpass-Straße in zum Teil strömendem Regen war uns beschert. Wer auf der Hütte nicht freiwillig geduscht hatte, musste dies nun unfreiwillig auf dem Abstieg tun, denn das Wasser schoss in Sturzbächen den Fels hinunter und unser Weg führte mitten hindurch! |
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Die „Talsummser und Jochbummler“ (Luis Trenker)
staunten nicht schlecht, als wir, nass bis auf die Unterhosen, die Toiletten
einer Wirtschaft enterten, um nach trockener Kleidung in unseren Rucksäcken
zu suchen, ehe wir – barfuss – uns im Gastraum niederließen. Als letzte Hürde erwies sich das Trampen unserer beiden Fahrer, die 12 Kilometer weiter oben unsere Autos holen mussten. Die Autofahrer fuhren erbarmungslos an ihnen vorbei ; erst ein Rentner mit viel Zeit, der unser verzweifeltes Treiben vom Wirtshaus aus beobachtete und als alter Bergsteiger Verständnis hatte, bot uns Hilfe an und fuhr die beiden zum Steingletscher hinauf. Am Ende unserer Tour zeigte sich dann, dass das Gefährlichste beim Bergsteigen die Heimfahrt ist: dank der klaren und verantwortungsvollen Entscheidungen von unserem Tourenführer Hans kamen wir alle wohlbehalten ins Tal, aber an einer Autobahnraststelle hat sich Christian so grausam die Finger in der Autotüre eingequetscht, dass er uns richtig zusammenklappte; und ich fürchte, er wird noch lange eine spürbare Erinnerung an diese trotz mancher Widrigkeiten schöne Tour haben. |
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Bericht: Claudia Honsberg |