Die Nordostflanke des Doms, gesehen vom Nadelhorn

Dom, 4545m

Auf den höchsten rein schweizer Berg

Von Hans Sterr

Wir (Constanze, Michael, Sabine, Hans) bestiegen den Dom im August 1996. Ausgangspunkt war Randa im Mattertal. Und im Anstieg zur Dom-Hütte zeigte uns der Berg sofort, was uns erwarten würde: Gleich aus dem Ort raus zieht der Anstieg scharf an und läßt fast an keiner Stelle nach. Eine rechte Schinderei mit dem Haufen Gepäck ...

Die Dom-Hütte wurde uns als chronisch überfüllt angekündigt, und siehe da: Stimmt haargenau! Allerdings hat die äußerst freundliche und akkurate Wirtin alles so gut im Griff, daß Ärger gar nicht erst aufkommt; und einen Schlafplatz im Lager bekamen wir entgegen den ersten Anzeichen dann auch. Um acht ins Bett, um halb drei Aufstehen: Los geht's ...

Der erste Teil des Anstiegs ist ein recht abwechslungsloser Hatscher (wegen der Dunkelheit sieht man allerdings eh nix). Aber dann geht's zur Sache: Am Festijoch erreicht man die "Schlüsselstelle" des Anstiegs; der Steilaufschwung ist mit einem Fixseil gesichert, die obere sehr ausgesetzte Querung (etwa II bis III-) muß mit einem Spreizschritt überwunden werden. Immer wieder verschwinden hier Dom-Anwärter in der Tiefe, wie man auf Gedenktafeln am Joch schaudernd lesen kann. Michael, unser Erfahrenster, zeigt uns, wo's langgeht; wir meistern die Stelle problemlos. Am Festijoch; im Hintergrund das Weißhorn
Der Aufstieg ist trotz der Kälte schweißtreibend Hat man das hinter sich, hat man eine Pause verdient. Schließlich hat man bis hierhin schon einiges an Höhenmetern zurückgelegt. Das Joch ist dazu auch ein schönes Platzerl.

Eigentlich hatten wir über den Festi-Grat aufsteigen wollen; die negativen Erfahrungen am Fletschhorn (wo wir 90m unter dem Gipfel umdrehen mußten) sorgten aber dafür, daß wir uns dann nach kurzer Beratung doch für den sichereren Normalweg entschieden.

Vom Festi-Joch steigt man nun erst mal ca. 70 Hm wieder ab in das weite Gletscherbecken. Hier empfiehlt es sich, bei der Querung gebührenden Sicherheitsabstand zu dem bedrohlich in der Nordflanke hängenden Eisbruch zu wahren. Man quert in die Nordost-Flanke des Berges, wo man nun dem Gipfel zu steigt, nur gebremst durch die Steilheit des Geländes und die dünne Höhenluft; häufigere kurze Pausen sind die Folge. Unterhalb des bedrohlichen Eisbruchs der Dom-Nordflanke
Im letzten Steilaufschwung zum Gipfel Etwa 100 Hm unterhalb des Gipfels trifft der Normalweg auf den heraufziehenden Festi-Grat. Es stellt sich heraus, daß der Grat diesmal gut gangbar gewesen wäre. Schmeck's ...

Die letzten 100 Hm ziehen dann noch mal richtig vom Leder: Der Gipfelaufschwung steilt sich noch einmal deutlich auf und verlangt uns, die wir schon 1600 Hm hinter uns haben und deshalb kräftemässig ziemlich ausgelutscht sind und die dünne Luft stoßweise in uns einsaugen, noch einmal alles ab. Nicht schlappmachen, so kurz davor!

Aber dann ist eh alles gewonnen: Wir haben den Gipfel erreicht und geniessen eine phänomenale Rundschau auf die umliegenden Viertausender.

Rucksack abwerfen, Hände schütteln, umarmen, abbusseln. Die Endorphine schiessen nur so durch's Hirn und vermitteln uns ein berauschendes Glücksgefühl. Wer hat gesagt, daß Bergsteigen eine Schinderei ist? Ha!

Blick vom Gipfel zum Monte Rosa

Hans Sterr, 15. März 1998