Freitag, 29. Juni 2001
Seit Winter 2000 laufen die Vorbereitungen für diesen Urlaub, nun kann es endlich losgehen. Zu fünft (Rainer Preis, Günter Hein, Andreas Stock, Edith Glas, Hans Mau) machen wir uns auf den Weg nach Südamerika. Kurz vor der Abreise beunruhigen uns Meldungen über ein starkes Erdbeben im Süden von Peru etwa in dem Gebiet, wo wir uns die ersten Tage aufhalten werden, angeblich sind aber in Arequipa die Auswirkungen dieses Naturereignisses nicht allzu gravierend. Gegen 9.00 Uhr startet das Flugzeug der Iberia nach Madrid, wo wir umsteigen müssen, dann folgen noch 11.30 Stunden Flug über den Atlantik und das riesige Amazonasbecken, bevor wir im letzen Abendlicht um 17.50 Uhr Ortszeit (= 0.50 Uhr MESZ) in Lima, der Hauptstadt Perus, landen. Nach einem kurzen Stadtbummel mit Abendessen verschwinden wir recht schnell in unseren Betten.
Samstag, 30 Juni 2001
Tagsüber bleibt Zeit für eine Stadtbesichtigung. Wir schlendern einfach
drauflos in Richtung Stadtzentrum, das einen recht sauberen Eindruck macht,
abseits der beiden Hauptplätze, die durch eine Fußgängerzone verbunden sind, ist
es mit der Sauberkeit aber schnell vorbei. Dazu kommt der chaotische
Straßenverkehr, der zu dieser Jahreszeit charakteristische, dünne Hochnebel
vervollständigt den tristen Eindruck der Sieben-Millionen-Metropole. Am frühen
Abend geht es mit dem Flugzeug in einer Stunde in die im Süden des Landes
gelegene Stadt Arequipa. Es ist bereits dunkel, als wir ankommen, dennoch macht
die Stadt einen wesentlich gepflegteren Eindruck als die laute Hauptstadt.
Sonntag, 1. Juli 2001
Schon
um 8.00 Uhr verlassen wir die 2.350 m hoch gelegene Stadt wieder, die nächsten
Tage werden wir uns in der Umgebung von Arequipa für die in Bolivien geplanten
Bergtouren akklimatisieren. Die Stadt liegt auf einer Hochfläche und wird von
den ruhenden Vulkanen Chachani (6.057 m), Misti (5.822 m) und Pichu Pichu (5.669
m) überragt. Die Straße, wegen des Erdbebens noch zum Teil mit Schutt bedeckt,
steigt auf Höhen bis ca. 4.300 m an, an einer Wasserlache grasen Vikuñas, wilde
Lamas. Dann verliert die Schotterpiste wieder an Höhe, wir besichtigen etwas
abseits eine Höhle mit jahrtausende alten Felszeichnungen und erreichen gegen
15.00 Uhr gut durchgeschüttelt den kleinen Ort Canocota (ca. 3.780 m). Nach
einer kurzen Brotzeit wandern wir den Anfang des Colca-Cañons in gut zwei
Stunden bergab bis nach Chivay (3.640 m), wo auch übernachtet wird.
Montag, 2. Juli 2001
Schon
um 5.00 Uhr ist die Nacht für uns zu Ende, einer der Höhepunkte dieser Reise
erwartet uns. Die holprige Schotterpiste führt in den Colca-Cañon hinein, der
sich immer tiefer einschneidet. Am Aussichtspunkt „Cruz del Condor“ auf 3.800 m
Höhe werden wir, zusammen mit etwa 40 anderen Touristen, Zeugen eines besonderen
Spektakels: aus der Tiefe des Cañons schrauben sich Kondore empor, einer dieser
riesigen Vögel mit mehr als drei Meter Flügelspannweite fliegt etwa fünf Meter
über die Köpfe der staunenden Beobachter, ein beeindruckendes Schauspiel! Danach
fahren wir ein Stück zurück in ein Seitental, wo Gustavo, der Fahrer unseres
Kleinbusses, auf der schmalen Piste sein Können unter Beweis stellt. Wir
vertreten uns knapp drei Stunden die Füße und steigen bis etwa 4.350 m Höhe
hinauf, wo es einen Geysir geben soll. In kleinen Pfützen steigen heiße Gase
auf, rund um uns blubbert es, aber der Geysir wurde angeblich beim Erdbeben
verschüttet. Dann folgt nur noch die Fahrt nach Cabanaconde (ca. 3.300 m), wo
wir an einem Aussichtsplatz mit einem herrlichen Tiefblick in den Cañon einen
stimmungsvollen Sonnenuntergang erleben.
Dienstag, 3. Juli 2001
Von
Cabanaconde aus schlängelt sich die Schotterpiste über kleine Pässe wieder auf
etwa 4.130 m Höhe hinauf. Von dort aus unternehmen wir eine kurze Wanderung. In
etwa einer Stunde Gehzeit erreichen wir ein recht stattliches Exemplar einer
Puya Raimondii, ein Ananasgewächs, das in dieser Gegend nur neun Mal vorkommt
und bis zu 200 Jahre alt werden kann. Am Ende steht der ganze „Stamm“ voller
Blüten, danach stirbt die Pflanze ab. Und dann geht es nur noch bergab, die
Gegend wird immer trockener, als wir die Berge verlassen, fahren wir durch eine
Sand- und Steinwüste! Mittendrin, wie eine Fata Morgana, ein
Bewässerungsprojekt: grünes Gras, schwarz-weiß gefleckte Kühe. Dann wieder
stundenlang Wüstengegend. Die Fahrt führt bis auf 550 m Seehöhe hinab ins
Majestal, wo noch einmal übernachtet wird.
Mittwoch, 4. Juli 2001
An
beiden Seiten des Flusses, der das Majestal durchfließt, ist in einem mehr oder
weniger breiten Streifen Landwirtschaft möglich, ab dem Beginn der Berghänge
herrscht wieder die Wüste. Bei Corire inmitten dieser Wüste findet sich eine der
größten Sehenswürdigkeiten dieser Region, die Felszeichnungen von Toro Muerto.
Ein weitläufiges Gelände ist über und über mit Steinbrocken übersät, in fast
jeden dieser Brocken sind Menschen, Tiere, geometrische Muster, Sonnen und Monde
eingeritzt, jahrtausende alte Zeugen vergangener Kulturen. Weitere Zeugen
vergangener Kulturen finden sich ein paar Kilometer entfernt in einem mehrmals
geplünderten Gräberfeld aus der Vor-Inka-Zeit, die gebleichten Knochen und
Mumienteile hinterlassen etwas gemischte Gefühle. Am Nachmittag geht es
schließlich über die Panamericana wieder zurück nach Arequipa, eine lange Fahrt,
interessant sind vor allem die Vehikel, die sich über die südamerikanischen
Straßen bewegen.
Wenn wir in den letzen Tagen auch gerne ein bisschen mehr gewandert wären,
war es doch ein unwahrscheinlich interessanter Ausflug, sowohl landschaftlich
als auch kulturell. Beatriz, die uns als Führerin begleitet hat, hat uns viel
Interessantes über Land und Leute und die Geschichte erzählen können.
Donnerstag, 5. Juli 2001
Wir warten vor dem Hotel auf unsere Stadtführung, als plötzlich die Erde zu
beben beginnt, zwar nur kurz, trotzdem ein komisches Gefühl. Die Stadt Arequipa
hat etwa 700.000 bis 1 Million Einwohner und ist damit sowohl von der
Einwohnerzahl als auch von der Wirtschaftskraft zweitgrößte Stadt in Peru nach
Lima. Die bedeutendste Sehenswürdigkeit ist das Santa-Catalina-Kloster, eine
riesige Anlage, die bis heute in der Bausubstanz von 1579, dem Gründungsjahr,
erhalten geblieben ist. Viele Gebäude in Arequipa sind durch das Erdbeben von
vor 14 Tagen leicht beschädigt, am schlimmsten getroffen ist die Kathedrale, wo
einer der beiden Türme eingestürzt ist. Unbedingt sehenswert ist auch die
Jesuitenkirche „La Compañia“ mit der schönen Fassade und der über und über mit
farbenprächtigen Fresken bemalten Ignatiuskapelle. Wir spazieren noch auf eigene
Faust durch die Stadt, unser erster Eindruck bestätigt sich: Arequipa ist eine
sehr saubere, sehenswerte Stadt, bis auf die Kathedrale Gott sei Dank vom
Erdbeben nicht allzu stark in Mitleidenschaft gezogen.
Freitag, 6. Juli 2001
Heute steht die lange Fahrt zum Titicacasee bevor. Nach 150 km Fahrt auf der
Panamericana durch die Wüste erreichen wir Moquegua, wo das Erdbeben schlimmer
gewütet hat: zerstörte Häuser, Menschen in Zelten auf der Straße. Von hier
steigt die Straße weiter und weiter bergauf bis in ca. 4.500 m Höhe, bald darauf
zweigt eine Sand- und Schotterpiste nach Puno ab. Wir durchfahren eine
faszinierende Landschaft: eine fast kahle Hochfläche, dahinter in allen
möglichen Farbschattierungen schimmernde Berge, in einem Bachbett ein kleiner
Geysir. Aus einem Felsen sprudeln fünf heiße Wasserstrahlen heraus, es riecht
etwas schweflig. Die letzen 100 Kilometer nach Puno sind wieder geteert, schon
im Dunkeln erreichen wir den Ort am Titicacasee.
Samstag, 7. Juli 2001
Es geht am 3.822 m hoch gelegenen Titicacasee entlang weiter, leider bei
bedecktem Himmel, übrigens dem einzigen schlechten Tag der ganzen Reise! Kurz
hinter Puno gibt es einen Fruchtbarkeitstempel aus der Inkazeit zu besichtigen,
auch im Ort Juli vertreten wir uns ein bisschen die Füße und besuchen eine
Kirche. Nach La Paz in Bolivien gibt es zwei Wege: entweder über Copacabana und
Tiquina oder über Desaguadero. Geplant ist die Übernachtung in Copacabana,
allerdings ist zur Zeit von dort der Weiterweg wegen Protesten der Indios gegen
die Regierung blockiert, wie wir am Grenzübergang erfahren. Also auf zum anderen
Grenzübergang nach Desaguadero. Mit Kleinbussen ist ein Grenzübertritt
allerdings nicht möglich, in Desaguadero heißt es, dass unsere bolivianischen
Begleiter bereits von La Paz aus nach Copacabana aufgebrochen sind. Also wieder
zurück, am späten Nachmittag verabschieden wir uns von der peruanischen
Mannschaft, erreichen in einem Gewitterschauer mit Schnee den Wallfahrtsort
Copacabana und hoffen, dass uns von dort jemand nach La Paz bringt.
Sonntag, 8. Juli 2001
Beim
Frühstück lernen wir Genaro kennen, Er ist gestern spät abends noch angekommen
und organisiert unseren Aufenthalt in Bolivien. Auf direktem Weg ist wegen der
Proteste kein Durchkommen, somit geht es zurück nach Peru und über Desaguadero
weiter nach Bolivien. Über dem tiefblauen Titicacasee, der übrigens dreizehn mal
größer als der Bodensee ist, ragen die weißen Gipfel der Cordillera Real in den
Himmel, am Horizont ist bereits der 6.462 m hohe Illimani zu erkennen. Über den
Altiplano geht die Fahrt nach La Paz, dem Regierungssitz Boliviens. Die Stadt
liegt in einem riesigen Kessel, bis ganz oben hin kleben Häuser an den steilen
Flanken des Kessels, das Ganze überragt von Illimani, ein Wahnsinns-Panorama! Am
Nachmittag spazieren wir durch den Trubel der Millionenstadt, schon ein Kontrast
zu den eher ruhigen letzen Tagen!
Montag, 9. Juli 2001
Ruhetag. Wir machen einen kleinen Ausflug und lassen uns von zwei Taxis in
Richtung Illimani auf einen kleinen Pass kutschieren Wir wollen durch den
Palca-Cañon nach Palca hinunterwandern und von dort wieder nach La Paz
zurückfahren. Auf dem kleinen Pass in gut 4.000 m Höhe ist jedoch auch die
Straße von protestierenden Indios blockiert, ein breiter Graben macht die
Schotterstraße für Autos unpassierbar. Also ändern wir das Programm, die beiden
Taxis warten hier auf uns, wir steigen „nur“ zum Eingang der Schlucht ab und
wandern dann wieder zurück. Gegenüber steht, fast zum Greifen nahe, der Illimani,
wenn wir da nur schon oben wären... Die Felder werden hier noch traditionell mit
Ochsen und Holzpflug bearbeitet, in einer schönen Landschaft wandern wir bis
etwa 3.450 m Höhe hinab zum Anfang des Palca-Cañon und steigen dann nach einer
Brotzeit den selben Weg wieder hinauf. Der Weiterweg durch die schmale, tief
eingeschnittene Schlucht wäre sicher interessant gewesen, wir haben aber auch so
einen schönen Tag gehabt. Dann bleibt noch Zeit, um die Ausrüstung
zusammenzupacken, morgen geht es richtig in die Berge!
Dienstag, 10. Juli 2001
Am
Morgen stößt Antonio Simangas zu uns, ein peruanischer Bergführer, der seit über
zehn Jahre in Kempten lebt. Rainer und ich kennen ihn seit 1997, als er für die
Erdinger HTG bereits die Besteigung des Alpamayo in Peru organisiert hat,
aufgrund der guten Erfahrungen von damals haben wir auch diese speziell für uns
zusammengestellte Reise bei ihm gebucht. Um 11.00 Uhr ist Aufbruch, erst gibt es
aber bei Genaro noch ein reichhaltiges Mittagessen mit hervorragender Aussicht
auf La Paz. In etwa zwei Stunden Fahrt ist der Ausgangspunkt für unsere Tour in
die Condoririgruppe, ein kleiner Weiler in etwa 4.150 m Höhe, erreicht. Das
schwere Gepäck wird auf Lamas geladen, wir wandern am Tuni-Stausee vorbei in
Richtung Lagerplatz. Neben dem Weg grasen Lamas und Alpakas, überragt von den
Gipfeln der Condoririgruppe, deren zentrales Gipfelmassiv etwas an einen
sitzenden Kondor mit ausgebreiteten Schwingen erinnert, daher auch der Name der
Berggruppe. Nach 2.45 Stunden erreichen wir den 4.650 m hoch an einem kleinen
See gelegenen Lagerplatz und treffen dort auf Felix, den zweiten Führer. Mit von
der Partie ist auch noch Norberto, der sich um unser leibliches Wohl kümmern
wird. Gespannt, was die nächsten Tage bringen werden, schlüpfen wir in unsere
warmen Schlafsäcke.
Mittwoch, 11. Juli 2001
Es
geht gemütlich los. Erst um 9.45 Uhr brechen wir zur ersten Bergtour auf den
Cerro Mirador auf. Wir steigen einen steilen Grashang hinauf und folgen dann
einem Felsgrat. Man muss immer wieder mal mit den Händen hinlangen, einzelne
Stellen werden mit einem Fixseil entschärft. Wir kommen in dieser Höhe
überraschend gut vorwärts und erreichen nach etwa 3.45 Stunden Aufstieg mit
einigen Pausen den Cerro Mirador (ca. 5.200 m). Der Berg macht seinem Namen alle
Ehre und bietet eine hervorragende Aussicht in die Condoririgruppe, zum Huayna
Potosi und zum Titicacasee. Sogar der gut 200 km entfernte Sajama (6.542 m) ist
in der klaren Luft zu erkennen! Der Abstieg wird durch eine Schuttreisse
erheblich verkürzt, um 15.00 Uhr sind wir wieder im Lager und genießen das
schöne Wetter. Ein gelungener Auftakt!
Donnerstag, 12. Juli 2001
Auch
heute pressiert es nicht besonders, gegen 9.15 Uhr brechen wir auf zum Cerro
Negro (auch Cerro Austria genannt). Da heuer mehr Schnee liegt als normal kommen
die Plastikschuhe zum Einsatz. Auf der Schattenseite des Haupttals kommen wir
nach einer längeren Hangquerung in eine breite Rinne. In feinem Schotter steigen
wir in eine kleine Scharte auf etwa 5.100 m, zwischendurch sind immer wieder
Schneefelder zu queren. Nach einer halben Stunde Brotzeit geht es weiter,
abwechselnd in Schnee und Gestein, gegen 13.20 Uhr stehen wir bei angenehmen
Temperaturen auf dem Cerro Negro (ca. 5.250 m), ein ähnlich schöner
Aussichtsberg wie gestern der gegenüberstehende Cerro Mirador. Heute
beschleunigt die Abfahrt in einem Schneefeld den Abstieg etwas, gegen 15.30 Uhr
ist die Tour beendet. Ab morgen ist es vorbei mit dem Ausschlafen, es geht auf
den Gletscher.
Freitag, 13. Juli 2001
Kurz
nach 3.30 Uhr klopft es aufs Zelt, es gibt Frühstück, gegen 4.50 Uhr marschieren
wir im Schein der Stirnlampen los, erst recht flach taleinwärts. Nach ziemlich
genau einer Stunde erreichen wir den Gletscher, 100 Höhenmeter sind „schon“
bewältigt. Gurte und Steigeisen werden angelegt, danach sind die Finger wieder
kalt. Anfangs ist der Gletscher recht steil, wir kommen zügig voran. langsam
geht gegen 7.00 Uhr auch die Sonne auf. Die Spur teilt sich, wir folgen dem
rechten Abzweig zum Cerro Illusion. Es geht wieder steil zu einem Sattel empor
und weiter über einen etwa 20 m langen, bis ca. 45° steilen Hang zum Gipfel,
dann noch drei Meter im Fels und wir stehen nach ziemlich genau vier Stunden
Aufstieg auf dem 5.350 m hohen Cerro Illusion. Genau gegenüber ist unser
morgiger Gipfel, der Alpamayo Chico, dahinter breitet sich über dem Urwald ein
riesiges Wolkenmeer aus, ein einzigartiger Anblick! Eine gute Stunde machen wir
Brotzeit, dann steigen wir entlang der Aufstiegsspur wieder ab ins Lager, das
wir kurz vor Mittag erreichen. Nach einem gemütlichen Nachmittag verziehen wir
uns bald in die Zelte, morgen geht es noch ein bisschen früher raus.
Samstag, 14. Juli 2001
Um 3.00
Uhr werden wir geweckt. Abmarsch ist eine Stunde später. Auf demselben Weg wie
gestern geht es bergauf, nur lassen wir heute den Cerro Illusion rechts liegen
und steigen geradeaus weiter auf einen etwa 5.200 m hohen Sattel, wo wir gerade
recht zum Sonnenaufgang ankommen. Nach einer kleinen Pause wird ein Vorgipfel,
der Tarija (etwa 5.300 m), überschritten. Im Gegenlicht ist von hier zum ersten
Mal für heute der Alpamayo Chico mit seinem markanten Firngrat zu bewundern, ein
Traumberg! Aber zuerst geht es im Fels ein paar Höhenmeter bergab, dann führt
ein scharfer Firngrat zum steilen Gipfelaufschwung. Vorsichtig, Schritt für
Schritt, stapfen wir im griffigen Schnee den ca. 45° steilen Hang bergauf, es
ist mühsam, geht aber ganz gut. Nach einem flotten Aufstieg stehen wir um 8.40
Uhr auf dem 5.430 m hohen Alpamayo Chico. Das Wetter ist phantastisch, genauso
wie die Aussicht auf die umliegenden Berge und das Wolkenmeer über dem Urwald.
Es gibt eine kleine Brotzeit, gegen 9.30 Uhr machen wir uns an den Abstieg, heiß
brennt die Sonne in den Gegenanstieg am Tarija. Um 13.30 Uhr sind wir zurück im
Lager und packen zusammen. Zum Abschluss macht Norberto Forellenfilets,
krönendes Finale von vier herrlichen Bergtouren. Dann wandern wir talauswärts,
unterbrochen von unzähligen Blicken zurück auf das Massiv der Condoririgruppe.
Bei einbrechender Dunkelheit sammelt uns der Bus unterhalb des Tuni-Stausees
auf, irgendwer hat dem Busfahrer eine Palette Dosenbier angeschafft. Und so wird
es eine recht fröhliche Rückfahrt, zu allem Überfluss wird bei Genaro in La Paz
noch weitergefeiert. Nicht mehr ganz nüchtern fallen wir nach 23.00 Uhr todmüde
in die Hotelbetten, ein langer Tag liegt hinter uns.
Sonntag, 15. Juli 2001
Einen
Tag früher als eigentlich geplant sind wir zurück in La Paz, das hat natürlich
seinen Grund. Am Nachmittag findet in Alto La Paz, dem auf dem Altiplano
gelegenen Teil der Stadt, ein großer Umzug statt. Durch riesige Menschenmassen
kämpfen wir uns bis zu unseren Plätzen auf einer engen Holztribüne und erleben
dann ein Spektakel der besonderen Art! Über Stunden hinweg ziehen Gruppe in
traditionellen Trachten, Folkloregruppen und Blaskapellen an uns vorbei, ein
Fest der Farben und phantasievollen, aufwendigen Kostüme. Gruppe an Gruppe
bewegt sich in Tanzschritten durch die Straßen, als wir am späten Nachmittag
wieder zum Hotel zurückfahren, haben wir erst ein Drittel der Gruppen
vorüberziehen sehen, das Fest geht weiter bis tief in die Nacht. Den Abend
lassen wir in einem Lokal mit einheimischer Livemusik ausklingen, ab morgen wird
es in den Bergen wieder ruhiger.
Montag, 16. Juli 2001
Am späten Vormittag fahren wir mit der von der Condoririgruppe her bewährten
Mannschaft zum etwa 4.800 m hohen Zongopass, dem Ausgangspunkt zum Huayna Potosi
(6.088 m). Nach einem kleinen Mittagessen geht es durch Blockgelände in
gemütlichem Tempo zu einer Moräne hinauf, dann folgt ein steiler Hang, auf etwa
5.100 m Höhe betreten wir den Gletscher. Nach gut 2.30 Stunden Aufstieg
erreichen wir den Lagerplatz in etwa 5.200 m Höhe. Recht früh verschwinden wir
in den Zelten, draußen wird es schnell frisch, als die Sonne hinter den Bergen
verschwindet. Es gibt noch etwas zu essen, dann versuchen wir zu schlafen.
Dienstag, 17. Juli 2001
Um
3.45 Uhr müssen wir die warmen Schlafsäcke verlassen, eine Dreiviertelstunde
später stapfen wir in der Dunkelheit den Gletscher hinauf. Weiter oben passieren
wir einen zweiten Lagerplatz, den Campo Argentino, dann gibt es in der
aufgehenden Sonne eine kleine Brotzeit. Es folgt eine etwa 20 m hohe Steilstufe,
der griffige Firn bereitet jedoch keinerlei Probleme. Auf etwa 5.930 m wird noch
einmal eine längere Rast eingelegt, dann steigen wir den 150 m hohen, am Ende
bis zu 45° steilen Gipfelhang hinauf und erreichen knapp sechs Stunden nach dem
Aufbruch den Gipfel des Huayna Potosi (6088 m). Bis auf Rainer ist es für uns
alle der erste Sechstausender. Etwas außer Atem genießen wir die hervorragende
Aussicht, nach etwa einer halben Stunde geht es dann wieder talwärts. Recht
schnell sind wir zurück im Lager, Zelte und Ausrüstung werden zusammengepackt,
dann folgt der Abstieg zum Zongopass. Ein Sechstausender als Zweitagestour, so
was bräuchten wir bei uns in den Alpen auch! Wir fahren noch zurück nach La Paz,
morgen ist noch einmal Ruhetag!
Mittwoch, 18. Juli 2001
Andreas hat es erwischt, er hat Durchfall und hat deswegen gestern schon auf
den Huayna Potosi verzichten müssen. Edith bleibt bei ihm, wir anderen drei
schlendern durch die Straßen und Gassen von La Paz, besichtigen ein kleines
Museumsviertel und ein paar Kirchen. Antonio ist in der Zwischenzeit nach Peru
zurückgeflogen, mit Genaro werden am Nachmittag noch die letzten Einzelheiten
für die nächsten Tage am Illimani besprochen. Wie wir erfahren, sind noch immer
rund um La Paz Straßen von den Indios blockiert. Wir packen die Ausrüstung
zusammen und hoffen auf ein Durchkommen zum Illimani.
Donnerstag, 19. Juli 2001
Ein
Geländewagen bringt uns wieder hinauf zum kleinen Pass, wo vor einigen Tagen
unsere Wanderung zum Palca-Cañon begonnen hat. Wie zu befürchten war, gibt es
auch den Graben quer über die Schotterstraße noch, die stundenlangen
Verhandlungen von Genaro, der hier aufgewachsen ist, mit den Indios bringen
nichts, Illimani ade! Also zurück nach La Paz und weiter nach Südwesten, neues
Ziel ist der Parinacota, ein gut 200 km entfernt liegender Vulkankegel. Blöd für
Rainer, er ist vor zehn Jahren schon einmal oben gewesen, aber ein anderer
Sechstausender ist in der uns zur Verfügung stehenden Zeit nicht mehr möglich.
Erst muss wegen eines Federbruchs noch das Auto gewechselt werden, dann fahren
wir bis kurz nach 21.15 Uhr abends in den kleinen Ort Sajama, wo wir
übernachten.
Freitag, 20. Juli 2001
Am
Morgen können wir die Umgebung zum ersten Mal bei Tageslicht betrachten. Hinter
dem Ort Sajama ragt der gleichnamige Vulkan (6.542 m) in den blauen Himmel, für
eine Besteigung ist leider die verbleibende Zeit einen Tag zu kurz. Gegenüber
stehen die beiden gleichförmigen Vulkankegel Parinacota (6.348 m) und Pomerape
(6.222 m). Dazwischen eine karge Hochebene, in der Lamas und Alpakas grasen. Ein
kleiner Geländewagen bringt uns zwischen die beiden Berge auf etwa 4.860 m Höhe.
Von dort steigen wir in zwei Stunden durch Vulkanasche in das etwa 5.200 m hoch
gelegene Lager, feiner schwarzer Sand bedeckt den Boden, fast wie am Strand. Die
letzte kurze Nacht der Reise steht bevor.
Samstag, 21. Juli 2001
Um
3.00 Uhr stehen wir auf, ab 4.20 Uhr kämpfen wir uns im äußerst sand- und
geröllhaltigen Hang über dem Lager 2.30 Stunden bergauf. Am Beginn des Schnees
erleben wir einen stimmungsvollen Sonnenaufgang über dem Sajama, dem höchsten
bolivianischen Gipfel. Im hart gefrorenen Firn bleibt endlich auch der Fuß dort,
wo man ihn aufsetzt und rutscht nicht bei jedem Schritt wieder etwas zurück.
Unsere Führer legen eine recht direkte Spur, der weitere, immer gleichmäßig etwa
30° geneigte Weg zum Gipfel nimmt noch einmal fast 5.30 Stunden mit einigen
Verschnaufpausen in Anspruch. Kurz nach Mittag stehen wir schließlich am
Kraterrand des Parinacota (6.348 m), leider wieder ohne Andreas, der wegen
seiner gesundheitlichen Beschwerden auf etwa 6.100 m zurückbleiben muss. Eine
gute Stunde halten wir uns oben auf, wieder bei bestem Wetter. Dann geht es in
zwei Stunden zurück ins Lager. Es folgen noch der Abstieg zum Auto, das uns in
ein Gebiet mit warmen Quellen in der Gegend von Sajama bringt, wo zum letzten
Mal die Zelte für die Übernachtung aufgebaut werden.
Sonntag, 22. Juli 2001
Am
Morgen wird es lebhaft, aus dem Ort kommen etwa 20 Leute, um in die warmen
Quellen zu steigen, auch Günter gönnt sich ein Bad im lauwarmen Wasser. Erst
gegen Mittag holt uns der Bus wieder ab, es geht zurück nach La Paz. Dort wird
unser restliches Gepäck eingeladen, wir fahren noch weiter nach Puerto Perez,
direkt am Titicacasee gelegen. Leider kommen wir dort erst in der Dunkelheit an,
haben aber dafür ein ganzes, recht nobles Hotel für uns alleine.
Montag, 23. Juli 2001
Ein Tag mit Überraschungen. Beeindruckend ist die Fahrt am tiefblauen See
entlang nach Tiquina. Hier hat der See seine engste Stelle, in recht klapprigen
Fähren werden Busse und Passagiere getrennt die etwa 800 m übergesetzt. Kurz
darauf sind wir wieder in Copacabana, nach einem Stadtbummel geht es hinauf zum
Grenzübergang nach Peru, wo uns ein weiterer Kleinbus in Empfang nimmt. Bei
einem Telefonat mit Antonio erfahren wir, dass uns noch ein langer Tag
bevorsteht. Geplant war, heute bis Puno zu fahren und morgen vom nahe gelegenen
Juliaca nach Lima zurückzufliegen. Wegen einer Flughafenrenovierung sind jedoch
trotz ausgestellter Flugtickets kein Flüge ab Juliaca möglich! Also fahren wir
nach Puno, essen etwas zu Abend und besteigen dort um 19.00 Uhr einen bequemen,
großen Reisebus, der uns in sieben Stunden Fahrt in die ehemalige Inkahauptstadt
Cuzco (3.200 m) bringt.
Dienstag, 24. Juli 2001
Ein
überraschender Ruhetag in Cuzco, mir ist er jedenfalls lieber als einer in Lima,
ist Cuzco doch eine der schönsten Städte in Peru, wenn nicht sogar die schönste,
wovon in ich mich mit Rainer bereits vor vier Jahren überzeugen konnte. Wir
bewundern die prächtigen Kirchenbauten, Paläste auf Fundamenten aus alten
Inkamauern und wandern hinauf zur beeindruckenden Festungsanlage Sacsayhuaman,
wo in drei hintereinander versetzen, übereinander liegenden Mauern besonders in
der untersten Mauerreihe riesige Steinblöcke bis über sechs Meter Höhe verbaut
worden sind. Etwas ärgerlich ist nur, dass wir uns weitgehend selbst um die
Flugtickets nach Lima kümmern müssen, obwohl Antonio aus dem fernen Huaraz
telefonisch ein örtliche Reiseagentur damit beauftragt hat.
Mittwoch/Donnerstag, 25./26. Juli
Um 5.00 Uhr werden wir vom Hotel abgeholt, gegen 7.00 Uhr fliegen wir zurück
nach Lima und werden dort von Irene, einer Mitarbeiterin von Antonio, am
Flughafen abgeholt und bei ihr daheim mit einem reichhaltigen Frühstück
bewirtet. Danach schlagen wir uns zu Fuß in Richtung Innenstadt durch, fahren
mit dem Taxi zurück und werden am späten Nachmittag wieder zum Flughafen
gebracht. Um 18.00 Uhr startet der Flug in die Heimat. Die Uhren werden wieder
um sieben Stunden vorgestellt, und schon ist Donnerstag. Nach einem längeren
Aufenthalt in Madrid landen wir um 21.30 Uhr am Flughafen im Erdinger Moos.
So schnell gehen vier Wochen vorbei, wir haben aber auch einiges erlebt! Beeindruckende Landschaften, Kondore fünf Meter über unseren Köpfen, die Fahrt entlang des Titicacasees, vier schöne Fünftausender in der Condoririgruppe und der farbenprächtige Umzug in La Paz; schließlich noch die beiden Sechstausender und der überraschende Aufenthalt in Cuzco. All dies lässt die Reise zu einem unvergesslichen Erlebnis werden, auch wenn es zum Schluss noch etwas turbulent geworden ist, was jedoch Ursachen gehabt hat, die in dieser Art einfach nicht vorhersehbar waren. Mit der verpassten Besteigung des Illimani haben wir nun jedenfalls einen Grund, wieder einmal Südamerikaluft zu schnuppern!
Hans Mau